„Ich habe gar kein Fernsehen. Schon viele Jahre nicht.“
Das Gerät, das erst 1886 von Paul Nipkow in einem Patent dargelegt wurde und die Menschen weltweit erst seit etwa 100 Jahren beeinflusst, ist dank Internet & Co. schon (fast) wieder out.
Trotzdem reicht diese oben gemachte Aussage aus, um bei so manchem Gesprächspartner spöttische, bemitleidende bis hin zu panischen Blicke zu provozieren.
So, als hätte ich gesagt, ich laufe nachts als Marshmallow verkleidet durch die Straßen.
Oft wird ungläubig nachgefragt, ob ich denn nichts vermisse, nicht mal wissen wolle, was in der Welt geschehe, mich denn nicht Sport interessiere und so.
Eher selten und dann meistens rhetorisch, wird gefragt: „ Warum denn nicht?“.
Meine Antwort ist auf KEINEN Fall diese: „Weil ich Christ bin.“
“Weil ich es nicht will.“, reicht für befremdliche, nachdenkliche Gesichter.
Ein Lebensprozess mit glücklichem Ende war's, das ist nicht mal eben erklärt.
Ich habe TV gesehen; viel zu viel phasenweise, weil es so schön die Sorgen, den Stress, die inneren Gedanken überspielte. Meistens jedoch so, wie es wohl „Alle machen“.
Aufgewachsen mit Sesamstraße, Pipi Langstrumpf, Winnetou, Mainzelmännchen, haben mich später Serien wie das (alte) A-Team, Mc Gyver und Filme, die ferne Lande zeigten und beschrieben, interessiert. Dann allmählich Krimis, die ich auch gerne in Gesellschaft der Eltern sah, - die das Ding in meiner Kindheit immer ins Nebenzimmer versteckten, wenn Besuch der Gemeinde kam - oder Dalli-Dalli oder Am-laufenden-Band und vieles mehr.
Schon erwachsen kam das mit den Sorgen und Ängsten, die man, also ich, durch fesselnde Filme (fast egal, was) beiseite schieben konnte.
Über grundlegende Fragen des Lebens sprachen wir nicht, saßen aber vor dem TV, wo Fremde genau diese Themen vorlebten. Gefühle sah ich neben mir auf dem Sofa oft eher im Nass der Augen bei tränen-rührenden Szenen als bei Interaktionen. Das „Leben“ hatte sich auf den Bildschirm verschoben. Langsam, unmerklich.
Und das voll wissend, wo ich doch so kritisch war.
Auf dem Gymnasium hatten wir mal ausführlich die Werbung mit ihren Strategien und Wirkungen behandelt. Das faszinierte mich. Später nahmen wir – ich glaube, es war im Rahmen von Nazi-Propaganda – durch, wie ein simpler Sachverhalt durch unterschiedliche Beschreibung, Sichtweisen-Vermittlung, Satzbetonung, Geräusche und musikalischer Untermalung, Bebilderung, Weglassen und so fort zu völlig verschiedenen GEFÜHLEN beim Adressaten führen.
Mitgefühl für die einen, Hass für die anderen, Wut obwohl man nicht selbst betroffen ist, Angst, eben alles.
Wir haben es mit sehr viel Spaß selbst dann an einem Satz erprobt. Sehr einfach, die Zuhörer zu beeinflussen, wenn man weiß wie.
Davon lebt jeder „gute“ Film, jede Nachrichtensendung weiß, was sie tut, jede einzelne Sendesekunde verfolgt eine Absicht.
WESSEN?
Das Wissen entzieht sich für gewöhnlich dem Zuschauer. Beziehungsweise will er es gar nicht wissen, sondern bespaßt werden.
(OT: Als Beispiel die ganzen Western, die in Westdeutschland viel und gern gezeigt wurden, um das deutsche Volk mit den Werten der US-Amerikanern vertraut zu machen. Hat voll gewirkt, zumindest in meiner Generation: Wir liebten USA, das Spiel „Cowboy und Indianer“, mit Pistole, Pfeil und Bogen spielten wir nach, was wir für gut und richtig hielten – dank Fernsehen.
'Wenn man auf der richtigen Seite steht, darf man alles, muss man sogar manchmal Böses tun und das ist gut.' Das haben wir alle genau gewusst, Krieg und Eroberung gespielt!
Wem das jetzt quer vorkommt, der hat etwas, was manche der heutigen Oberindianer uns weismachen wollen, verstanden. Das war nur ein Beispiel.)
Bespaßt, eingelullt, berieselt, pseudo-informiert.
Heute fragte Jemand, ob ich überhaupt wisse, wen Jogi Löw nun mitnähme, zum Fußball.
Ich könnte es wissen, wenn es mich interessierte. Es kam auch im Radio. Fußball, die Frauenfußballer sind meistens nicht mal eine Randnotiz wert.
Ich fragte zurück, ob er denn schon von den Arbeitsbedingungen der marokkanischen Erdbeerpflückerinnen in den spanischen Plantagen gehört habe, die sehr oft von den Aufpassern vergewaltigt werden und aus Angst um ihren Tageslohn von 30€ nicht zur Polizei gehen. Diese Information habe ich heute morgen aufgenommen, weil sie mich interessiert. Kam in „Kirche im Radio“,
Eigentlich kollektiv abgelenkt, wie Brot und Spiele.
ABGELENKT, von was?
Eine alte Dame bat mich vor wenigen Tagen, mit Tränen in den Augen, ob ich ihr nicht helfen könne, das TV ginge seit einem Blitzschlag in der Nähe nicht mehr. Was diese alte Frau sagt, trifft es sehr deutlich:
„Schauen Sie doch mal, da sieht man Nichts. Ich sehe NUR MICH SELBST!“.
Man sieht sich selbst und hört sich, vielleicht auch die Menschen neben sich.
Wenn man zur Ruhe gekommen ist, wer weiß, vielleicht spürt man sogar Gottes sanfte, gute Stimme.
Zur RUHE kommen, oh nein, das geht nicht, indem man das TV einfach aus macht!
Bestenfalls überlagern gesehen und gehörte Sachen fremder Menschen die eigene Kreativität, die aus der so unerträglich geworden zu sein scheinenden Langeweile erwachsen kann.
Meistens sind es Schreckensbilder aus aller Welt, die Geräusche und Bilder aus Werbung und Film. Schimpferei, Fluchen, Weinen, gruselige Musik, Schüsse, Explosionen, Stöhnen, Sex, möglichst realitätsgetreue Blut und Grausamkeiten, Schmerzensschreie, die Pseudo-Realität der reichen und schönen und begabten Menschen, die als normal oder Ideal dargestellt werden, vorgefertigte Fantasiewelten schon für die ganz Kleinen. Kann Jeder selbst ergänzen.
Alles das haben wir gehört und gesehen, das hat unser Computer-Hirn GESPEICHERT. Somit wird es als Erfahrungswert mit einbezogen in die Träume, in die Idealvorstellungen, Verhaltensmuster, Erwartungshaltung und so weiter. Es beeinflusst das Leben. Auch das Jener, die meinen, das im Griff zu haben!
Wie überlagernd diese Medienwelt in der Gesellschaft, im Alltag ist, wurde mir nicht plötzlich bewusst. Ich wusste es. Sprichwörter der Werbung, das Kinderspiel von Indianer und Cowboy, Filmzitate waren immer schon Teil des Lebens.
Erschrocken aber unfähig etwas dagegen zu tun, nahm ich an mir selbst wahr, wie mich mehr und mehr Krimis und sogar gruselige Filme faszinierten und sogar etwas wie Sympathie für den Mörder bei manchen Sendungen aufkeimte, was eigentlich völlig widerwärtig aber im Sinne mindestens einer Serie war (habe leider den Titel vergessen). Sexdarstellungen hinterlassen einen Vergleichsdruck bei tatsächlichen Erfahrungen. Berichte aus Krisengebieten perlten immer schneller von meiner abgestumpften Wahrnehmung ab, hinterließen kein Gefühl außer dem, dass das wohl normal wäre auf der Welt und man im Großen und Ganzen nichts machen kann.
Perfekt ruhiggestellt.
Als ich nicht recht wusste, wie ich an Wegkreuzungen des Lebens gehen sollte, betete ich, sprach mit Mitchristen. Spürte mich aber nicht, spürte nicht, was gut oder richtig sei, merkte nicht das feine, leise Ziehen von Liebe, die das All umfasst.
Dann lernte ich einen Mann kennen, der ein TV im Bad und eines im Schlafzimmer hatte. Hier merkte ich, was diese Nicht-Realität mit der echten eigentlich Realität macht.
Die Scheinwelt schien wichtiger als das eigene Leben, war wichtiger als die Gefühle der Nächsten. Über die Fehler der da im TV wurde geschimpft, die eigenen nicht erwähnt. Und die Mitmenschen wurden nach den TV-Idealen gemessen. Die Freizeit, die so knapp bemessen schien (obwohl der heutige Mensch viel mehr davon hat, als unglaublich viele Generationen vor uns), wurde nicht für eigene Gedanken, Impulse, Ideen oder positive, soziale Handlungen sondern vor dem Kasten sitzend und liegend verbracht.
Umgebracht. Die Zeit wurde gestohlen wie durch die grauen Männer bei Momo.
Zuletzt, als ich schwanger wurde, beschloss ich, so nicht leben zu wollen. Wollte selbst etwas spüren und musste das Kind zu einem eigenständig denkenden Wesen heranwachsen lassen, weil es eine mir von Gott anvertraute Seele ist.
DAS WAR NICHT LEICHT. Es dauerte etwa 1 Jahr, bis ich das TV nicht echt vermisste, als einlullendes „Gegenüber“.
Sucht, allgemein akzeptiert und erwartet in der Gesellschaft. Kein Wunder, dass manch einer sich regelrecht persönlich bedroht zu fühlen scheint, wenn er hört, dass da einer „ohne“ gut lebt. Der Gedanke alleine ist bedrohlich.
Dann erlebte ich eine damalige Freundin, die sich durch Dauerberieselung ablenken musste, deren Zweijähriger sehr aggressive Tobsuchtsanfälle bekam, wenn sie doch mal das TV ausmachen wollte. Er saß stundenlang davor, mittlerweile zu faul, zum Klo zu gehen, pinkelte er – eigentlich längst trocken – lieber auf das Sofa, als etwas zu verpassen.
Bei anderen Freunden bestand der 5jährige darauf, irgendwelche Serien zu sehen, in denen viele Personen interagierten. Das war spannend, weil es kaum eigene soziale Kontakte dort gab. Er lernte dort sein soziale Verhalten.
Wir hatten dann auch mal einen kleinen, tragbaren Antennenfernseher, etwa 2 Jahre lang. Damit das Kind wusste, was Fernsehen ist. Bis etwa 7 oder 8 Jahre war Lesen, Singen und „Bärenbude“ im Radio das Abendprogramm gewesen. Das Fernsehen absorbierte das Kind dann, wie alle anderen auch. Trotz Zeitbegrenzung und Reden über TV begann sehr bald eine Entwicklung dahin, dass das TV Ziel des Tages war.
Viele Leute boten uns kostenlos ihre ausrangierten Geräte an. Aber als das kleine Ding endlich kaputt ging, wollte ich einfach nicht so einen Kasten irgendwo stehe haben.
Wenn man in Wohnungen kommt, steht da (mittlerweile übergroß und flach) so ein Ding, im Zentrum, wie in anderen Kulturkreisen der Schrein oder ALTAR. Eben der dominierende Teil im Wohnbereich. Der dominierende Teil im Leben.
Mit dem Gedanken konnte ich mich nicht anfreunden.
Hatten wir die 1-2 Jahre sehr bewusst TV gesehen, weil wir das Gerät immer erst mühsam aufbauen und einrichten mussten und dann auch wieder in der Schublade wegräumten, wäre der An-Knopf viel zu leicht gedrückt bei einem Standgerät.
Das war's. Seither haben wir kein TV. Sogar mein mittlerweile fast erwachsenes Kind nicht, das vor lauter Hobbies und Plänen täglich zu wenige Stunden hat; selbst ohne das Teil.
Ja, wir haben Internet und Smartfon. Doch ist das zur gezielten Info oder Recherche, Kontaktaufrechterhaltung und ähnlichem.
Der Nachwuchs kann natürlich dort auch Filme sehen. Interessanter Weise ist die Wahl „harmlos“ und sehr selten (Zeitmangel) gemessen an den Knaller-Rumms oder Bums-Filmen, die in dem Alter „normal“ sind.
Mir sagt kein Aparat, keine Sendung, was ich wissen soll, was ich mögen oder nicht mögen sollte, was ich zu erreichen, zu besitzen, zu tragen, zu tun und zu lassen habe, um glücklich zu sein. Ich darf so, wie Gott mich gewollt hat, glücklich und zufrieden sein, wenn es sich richtig anfühlt sogar als Marshmallow auf der Straße bei Nacht.
Wer uns bedauert, sollte sich mal eine Weile vor sein TV setzen und während es normal läuft zählen, wie viele negative Eindrücke (Gewaltszenen, Fluche und Aggressionen, negative Darstellungen, Rollenklischees, Gruselmusik und Bilder) in einer Stunde zu hören oder zu sehen sind. Wieviel davon hat Dich persönlich weiter gebracht, wieviel war hohl und auf wieviel hättest Du verzichten können?
Dann mach man mal das Ding aus und betrachte, was man sieht: Das eigene Leben.
Was machst Du aus der Dir geschenkten Zeit in dieser Welt? Was könntest Du dem Nachbarn, den Familienmitgliedern, Dir selbst in einer Stunde gutes getan haben?
Welche Bilder hast Du im Kopf, woran Denkst Du? Welche Baustellen sind zu bewältigen?
Und was spürst Du?
Was machst Du aus den Dir anvertrauten Talenten (biblisch bebildert), aus der Zeit? Was würdest Du bedauern, nicht getan zu haben, wenn Dich morgen ein Unfall oder Krankheit aus dem jetzt noch möglichen Leben reißen würde?
Guckst Du noch oder lebst Du schon?
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